Ein Besuch in Bremerhaven

Eine Tour durch unsere Schwesterstadt

9. Juni 2022 – Was braucht Bremerhaven? Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten, wenn es um die Bedarfe einer Stadt geht, die in ihrer Vielfältigkeit und ihren Engagementaktivitäten der großen Schwester Bremen in nichts nachsteht. Um mehr über das Engagement der Stadt am Meer zu erfahren, haben wir uns in den Zug gesetzt, um vor Ort mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Der Austausch ist als Beginn einer engeren Vernetzung gedacht. Und natürlich als Bedarfsabfrage bei Freiwilligen und Organisationen, die uns etwas über die Herausforderungen, Probleme und Ideen zur Verbesserung der Situation des Engagements in der Stadt erzählen.

Beim Besuch im Amt für kommunale Arbeitsmarktpolitik im Magistrat Bremerhaven bekamen wir von Amtsleiterin Martina Tietjen und der Koordinatorin Katja Gente (Wohnen in Nachbarschaften) einen kurzen historischen Abriss der Entwicklungen der Bremerhavener Freiwilligenagentur: Ursprünglich mit dem Sozialressort verbunden und mit 2,5 Vollzeitstellen ausgestattet, wird diese heute rein ehrenamtlich und mit geringer finanzieller Ausstattung betrieben. Ein Missstand, auf den laut Martina Tietjen dringend aufmerksam gemacht werden sollte: „Die Freiwilligenagentur sollte professionell begleitet werden.” Im Amt für kommunale Arbeitsmarktpolitik sind dafür derzeit aber weder personell noch finanziell Ressourcen eingeplant.

Den Engagementstrategieprozess sieht sie als Chance für Bremerhaven generell wie auch als Möglichkeit, sich ein aktuelles Bild der Strukturen freiwilligen Engagements in der Stadt nach zwei Jahren Pandemie zu verschaffen. Sinnvoll wäre an dieser Stelle eine Verwaltungsabfrage, für die – genau wie dem Plan nach in der Stadt Bremen – alle Mitarbeitenden mit Bezug zu ehrenamtlichen Aktivitäten und Engagementförderung zusammengebracht werden, mit dem Ziel, sich einen Überblick über bestehende Abläufe und Routinen zu verschaffen. “Wir können kurze Wege nutzen und vieles persönlich klären. Zudem können wir bei der geplanten E-Mail-Umfrage der freiwillig Engagierten auf umfangreiche Verteiler verschiedenster Ämter zurückgreifen”, so Katja Gente.

Unsere Gesprächspartner:innen im Amt für kommunale Arbeitsmarktpolitik vertreten übrigens in der Prozessgruppe die Verwaltung Bremerhaven und unterstützen uns bei der Vorbereitung und Umsetzung der für September geplanten Marktplatzgespräche. Im Herbst wird in der Seestadt außerdem eine Veranstaltung mit Fokus auf Bremerhaven im Rahmen der Engagementstrategie stattfinden.

Unsere nächste Station ist das Altbürgerhaus, einer der sechs städtisch betriebenen Seniorentreffpunkte, die durch das Sozialamt geleitet und durch ehrenamtliche Helfer:innen beim Kaffeeausschank, Kassenverwaltung und auf viele weitere Weisen unterstützt werden. Hier treffen wir Jenny Bertram, Abschnittsleitung für die hauptamtlichen Leiter:innen. Die Seniorentreffpunkte wurde bis vor ein paar Jahren von zwei hauptamtlichen Einrichtungsleitungen geleitet und wesentlich von Ehrenamtlichen getragen. Dass es jetzt wieder Festangestellte dafür gibt, begrüßt Jenny Bertram, denn die Verantwortung und der Workload dürften nicht auf die Freiwilligen abgewälzt werden. Sie wünscht sich grundsätzlich wieder mehr Austausch mit Fachkolleg:innen, Strukturen gäbe es dafür in Bremerhaven zu wenig.

Jenny Bertram berichtet vom positiven Einfluss der Freiwilligenarbeit auf das Wohlbefinden der Senior:innen. Gleichzeitig fordert sie für die Freiwilligen eine stärkere, hauptamtlich begleitete Würdigungskultur, die über die einmal im Jahr stattfindende Dankeschön-Veranstaltung für alle Freiwilligen in den Bereichen Integration und Seniorenarbeit hinausgehen müsse: Außerdem bräuchte es einen besseren Zugang und mehr Informationen über Fördermöglichkeiten für Weiterbildungen und Kurse für Freiwillige. “Grundsätzlich”, sagt sie, “muss es hauptamtliche Stellen im Bereich Freiwilligenarbeit geben, damit ‘richtiges Ehrenamt’ möglich ist”.

Gegen Mittag treffen wir bei unserer nächsten Station ein, dem Integrationszentrum in der Wiener Straße, einem ehemaligen Bundeswehrgebäude, das erst als Unterkunft für Geflüchtete genutzt wurde und seit 2020 als Anlaufstelle sämtliche Beratungs- und Unterstützungsangebote zum Thema Flucht und Migration in Bremerhaven unter einem Dach vereint. Der Leiter des Zentrums, Marco Monetha, war uns als einer der wichtigsten Ansprechpersonen für freiwilliges Engagement für Geflüchtete vorgestellt worden. Wir werden von ihm durch das geräumige, teilweise noch nicht fertig renovierte Backsteingebäude geführt, das vom Keller bis in die oberen Stockwerke so viel Raum hat, dass „noch vieles möglich“ ist, wie Monetha sagt. Er zeigt uns das Haus im Laufschritt, denn es gibt – auch wenn die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine in den letzten Wochen gesunken ist – für ihn immer viel zu tun. Für “seine” Freiwilligen wünscht er sich ebenfalls mehr Möglichkeiten und Räume, für die Würdigung der freiwilligen Arbeit. Das können auch ganz einfach Sachen sein, wie die Möglichkeit, Essen und Trinken für die Zeit, in der sie sich engagieren, bereitzustellen. Denn dafür gäbe es bislang keine Förderung oder Abrechnungsmöglichkeiten.

Unser letzter Besuch findet in den Räumen unserer Gastgeber:innen statt, der Freiwilligenagentur Bremerhaven. Hier sitzen wir noch einmal in Ruhe zusammen und erfahren beim Mittagssnack, was sich die ehrenamtlichen Kolleg:innen aus unserer Nachbarstadt von der Engagementstrategie erhoffen. Neben dem Teamleiter Klaus Kucharczyk, der für uns die Tour durch die Einrichtungen organisiert und begleitet, nimmt auch Alexandra Ralf am Gespräch teil, langjährige Mitarbeiterin und Beraterin in der Freiwilligenagentur. Beide sehen die Herausforderung der von Freiwilligen betriebenen Einrichtung in der finanziellen Ausstattung und wünschen sich mehr Förderung, etwa bei der Erstattung der Aufwandskosten, und eine bessere Grundfinanzierung. Sie wünschen sich aber auch eine Anerkennung dessen, was sie als Mitarbeitende in den vergangenen Jahren in ihrer Freizeit für die Agentur geleistet haben: eine Wertschätzung von nicht-formalisierbaren Kompetenzen, etwa langjährige Erfahrungen, die aus der Arbeit mit dem Freiwilligen-Team und den Beratungen der Freiwilligenagentur entstanden sind.

Den Engagementstrategieprozess sehen Sie als Gelegenheit, um auf die Arbeit der Freiwilligenagentur und die vielfältigen Angebote ihrer Kooperationspartner aufmerksam zu machen und diese sichtbar werden zu lassen. Die Arbeit an diesem Punkt hat bereits begonnen: Das Amt für kommunale Arbeitsmarktpolitik erarbeitet aktuell gemeinsam mit der Freiwilligenagentur eine Strukturübersicht zur Ausstattung, den Abläufen und den Vorgehensweisen der Agentur. Es bewegt sich also bereits etwas.

0421 / 16 86 70-30
Freiwilligenagentur Bremen